Auf der Suche nach dem Bremer Stil

Dreizehn Jahre Sprechtheater, Gesangseinlagen inklusive, in der Ära des Intendanten Klaus Pierwoß

Es war ein gewöhnlicher Herbsttag, der ohne besondere Vorkommnisse zum Abend geworden war. Bemerkenswerte Wetterereignisse hatte es nicht gegeben. Die Theatergastronomie hieß noch Pausenausschank. Und auch die Türme des New Yorker World Trade Center standen noch, als ein rotblonder junger Ensembleneuling auf der Bühne des Bremer Schauspielhauses eine Textpassage aus sich heraus in den voll besetzten Zuschauerraum hinein schrie.
Hat er tatsächlich geschrien?
Er hat. Allein es war gar nicht so wichtig, was er schrie und ob er überhaupt geschrien oder nicht doch einfach sehr laut gesprochen hat. Bemerkenswert war, wie dieser junge Mann, dessen Namen wir uns noch nicht gleich merken konnten, auf sich aufmerksam machte: Unter seinem astreinen Hochdeutsch verborgen war eine Sprachmelodie, die hier so noch nicht zu hören war. Es war kein Akzent. Es war auch kein Dialekt, in dem sich dieser Schauspieler übrigens einige Jahre später in der dritten Staffel von Edgar Reitz Fernseh-Opus „Heimat“ regelrecht suhlen konnte. Es war etwas ganz anderes: Da stand ein echter Ossi auf der Bühne des Bremer Schauspielhauses. Und: Er war nicht der einzige.

Den Massen entgegen geströmt
Der Lebenslauf von Klaus Pierwoß hätte eine Vorahnung geben können. Als sich der neue Generalintendant des Bremer Theaters in Bremen vorstellte, hatte er es doch erzählt: Er sei einer der ersten West-Ost-Wanderer nach der Wende gewesen, hatte er mit einigem Stolz berichtet. Kaum nachdem die Berliner Mauer erste Risse bekommen hatte, war dieser Theatermann aus dem Westen den Massen entgegen geströmt und Chefdramaturg am Maxim-Gorki-Theater in Berlin (Ost) geworden. Natürlich hatte er dort Kontakte geknüpft. Und natürlich hatte das Folgen. (...)

In der Fußballbundesliga sind 13 Jahre Trainertätigkeit am Stück bei einem Verein die große Ausnahme. Das gilt auch für Intendanten an den meisten Stadttheatern. Was Otto Rehhagel und Thomas Schaaf beim SV Werder schafften, schaffte Klaus Pierwoß am Bremer Theater. Diese 13 Jahre wurden zum Kampf um Kultur, ihren Wert und ihre Finanzierbarkeit. Trotzdem oder deshalb wurde in diesen 13 Jahren auch ganz viel Theater gespielt. Am Ende stand ein dickes Buch, an dem ich mitschrieb und aus dem der Ausschnitt oben stammt.

Titel Dickes Buch Bremer Theater